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Ein Artikel unseres Autors Philipp-Martin Wegner


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Tagebuch eines Bleistifts



Ich möchte Ihnen meine Geschichte erzählen, die Geschichte eines einfachen Bleistiftes, geboren in den unendlichen Weiten des brasilianischen Regenwaldes oder aber als Abfallprodukt der Holzindustrie in der Eiffel. In der globalisierten Welt von heute kann man soetwas ja nicht mehr genau sagen.

Vorfahren können auf eine interessante, bewegende Historie zurückblicken. Schon vor 5.000 Jahren lebten meine ersten Vorfahren, als im alten Ägypten mit Blei ausgegossene Papyrus- oder Bambusrohre zum Schreiben genutzt worden sind. Meine Vorfahren wurden hier zu Lande früher auch Schreibblei, Wasserblei oder Reißblei genannt. Auch wenn ich meinen Namen immer voller Stolz trage, so trage ich ihn nicht zu Recht, da meine Gattung seit dem 19. Jahrhundert aus einem Graphit-Ton-Gemisch hergestellt wird.

Viele große Namen der Literaturgeschichte nutzten unsere Hilfe zur Dichtung ihrer Werke. Schon Johann Wolfgang von Goethe outet sich als unser größter Fan und griff in seinen Worten: "weit lieber zum Bleistift, der williger seine Züge hergab, da das Schnarren und Spritzen der Feder mich aus meinem nachtwandlerischen Dichten und Denken aufschreckte und ein kleines Produkt in der Geburt erstickte." Der erste deutsche Reichskanzler Otto v. Bismarck mißbrauchte uns auch zum Preparieren seiner Pfeife oder kaute an den Enden meiner armen Ahnen rum, um sich besser auf wichtige, politische Entscheidungen konzentrieren zu können.

Geschichte eines Bleistiftes
Als junger Stift wurde ich oft wegen meiner „Schwarzmalerei“ geärgert. Ich bin kein Fabriano oder Koh-i-Noor Hardtmuth und nicht wie die anderen Stifte blau, gelb, rot oder grün. Ich bin leider nicht aus dem edlen, langsam wachsenden und deshalb äußerst teuren Zedernholz des Wacholders aus Virginia. Unzählige meiner Kollegen sind aus Ahornholz oder dem Holz der Linde. Mich hat man lediglich aus dem Pinienholz "geschnitzt". Es gibt aber auch einige von uns mit Mänteln aus Plastik oder Metall, die Druckbleistift oder Fallminenstift genannt werden. Letztendlich bleibt aber auch der mit weißgoldener Kappe und drei Brillianten besetzte Verwandte von Faber-Castell trotz einem Wert von über zehntausend Euro nur ein Bleistift. Zwei Mrd. Bleistifte erblicken jährlich allein bei Faber-Castell das Licht der Welt.

Unter Minderwertigkeitskomplexen leide ich also nicht. Ein bleistiftlanges, interessantes Leben steht mir bevor. Ein Stift in der zarten Hand eines Kindes ist weniger ein Werkzeug, als viel mehr ein Spielzeug auf dessen phantastischer Spielwiese. Ich könnte auf diese Weise die ersten, kindlichen Gedanken eines Menschen in Bild und Schrift erfassen und so einen Teil zu unbezahlbaren Kindheitserinnerungen beitragen.

Als Instrument eines grafischen Zeichners wäre ich für millimetergenaue Skizzen zuständig. Ein Baumeister könnte mit meiner Unterstützung atemberaubende Bauwerke für die Menschen schaffen.

Tief im Innersten von mir aber träume ich davon, Künstler zu werden.

Gibt es etwas Schöneres als die kostbaren aber vergänglichen Momente des Lebens, das Portrait eines geliebten Menschen in all seinen Nuancen oder liebgewordene Erinnerungen an einen unvergessenen Weggefährten auf dem Papier zu verewigen? Mit meinen sehr feinen Linien kann ich Effekte und Schattierungen erzeugen, die meine Kollegen aus dem Bereich der Zeichenkohle und Pastellkreide nicht hinkriegen. In der Hand eines geschickten Künstlers mit einer abgöttischen Liebe zum Detail wäre eine Bleistiftzeichnung von mir ein besonders persönliches Geschenk für alle Art von Anlässen.

Autor: Philipp-Martin Wegner
Bildquelle: Kohlezeichnung "John F. Kennedy"

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Schlüsselwörter/Meta-Description


Schlüsselwörter (Keywords)
Bleistift, Bleistiftzeichnung, Zeichnung

Meta-Description
Hier erzählt ein kleiner Bleistift seine Geschichte

Philipp-Martin Wegner

Autor   Philipp-Martin Wegner
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